London verbindet man im ersten Gedanken mit Teekultur. Dabei gehört ausgerechnet diese Stadt weltweit zu den frühsten Kaffeemetropolen. Noch bevor Großbritannien als Teenation galt, eröffneten hier 1653 das erste Kaffeehaus. Eine Welle der Kaffeebegeisterung schwappte damals durch die Straßen der Stadt. Die Teehäuser fanden erst ab dem Jahr 1750 einen Platz im Stadtbild. Erst durch die spätere Senkung der Teesteuer wurde Tee zu einem leistbaren Getränk und löste den davor herrschenden Kaffeetrend ab. Dass in Teegärten und -häusern auch Frauen Zutritt hatten – in den Kaffeehäusern hingegen nicht – ist sicher ein weiterer Grund für die schließliche Durchsetzung der Teekultur.
In den vielen Cafés, die ich euch in den nächsten London-Beiträgen vorstelle, darf heute zum Glück jedes Geschlecht verweilen. Und auch wenn die neue Kaffeekultur des Spezialitätenkaffees mit dem Kaffeegeschmack aus dem späten 17. Jahrhundert wenig zu tun hat, ist die Metropole aufgrund des Themas Kaffees immer noch sehr spannend: Im Europavergleich der Anzahl an Cafés mit Spezialitätenkaffee pro Stadt, liegt London ganz weit vorn.
Nichtsdestotrotz erwarten euch auch einige Reisetipps für Restaurants und Läden in der folgenden Reihe an Londonartikeln auf dem Blog. Insgesamt steht das Thema Kaffee aber im Vordergrund. Viel Spaß!
Es gibt Cafés, die bestechen durch liebevolle Details, spannendes Design und besondere Lichtsituationen. Und dann gibt es solche, die einfach „nur“ Kaffee auf einem unglaublich hohen Niveau servieren. Prufrock gehört zu den Letzteren – und hat nebenbei erwähnt auch noch eine Speisekarte bestückt mit vielen Köstlichkeiten: Ob die Stulle mit Avocado und pochiertem Ei, etwas ausgefallener mit Frischkäse und Erbsen oder Süßes in Form von Croissants, Bananenbrot und Schokobrownies. Vor allem aber wegen dem exzellenten Kaffee, hat sich dieses Café in der Stadt einen großen Namen gemacht.
Gegründet wurde Prufrock 2011. Im Zentrum des unscheinbaren Cafés steht eine Kaffeebar. Sie ist aufgeteilt in die zwei Zubereitungsmethoden Filterkaffee und Esspresogetränke. An der Theke für Filterkaffee befinden sich einige der vielen Sitzplätze des Ladens. Perfekt sind diese für neugierige Kaffeeliebhaber. Von dort aus kann man nämlich wunderbar das Geschick der Baristi beobachten. Ganz genau sitzen ihre Handgriffe und das schmeckt man. Der Kaffee wird hier von wechselnden europäischen Röstereien verwendet. Dauerhaft im Angebot sind außerdem Röstungen der renommierten Londoner Rösterei Square Mile.
Als Co-Founder steckt hinter Square Mile eine der bedeutendsten Personen in der Spezialitätenkaffeeszene: James Hoffmann. Sein Buch „The World Altas of Coffee“ (im Deutschen „Der Kaffeeatlas„) ist Bestandteil von etlichen Coffeeshopregalen – und für viele Protagonisten der Szene war es die Einstiegslektüre.
Zwar nicht von Anfang an, aber seit einiger Zeit ist Square Mile übrigens auch Mitinhaber von Prufrock. Gegründet wurde das Café aber von Gwilym Davies (Baristaweltmeister im Jahr 2009), dem Bäcker Klaus Kuhnke und dem Australier Jeremy Challender. Jeremy verließ Prufrock 2017, um zurück nach Melbourne zu gehen. Seit dem vervollständigt die Rösterei Square Mile das Trio.
Das Café Prufrock befindet sich in der Marktstraße Leather Lan. Genauso unauffällig wie der Laden mit seiner weißen Holzfassade und den großen Fenstern, ist auf dem ersten Blick übrigens auch die Treppe, die den oberen Teil des Cafés mit dem Untergeschoss verbindet. Sie führt zu dem Bereich in dem regelmäßig Baristaschulungen, Verkostungen und andere Kaffeeveranstaltungen stattfinden. Prufrock ist also bei Weitem sehr viel mehr als „nur“ ein Ort, an dem exzellenter Kaffee serviert wird.
Prufrock Coffee
23-25 Leather Ln
London EC1N 7TE
Fußläufig vom Museum für moderne Kunst (dem Tate Modern) füllt Caravan Bankside das Erdgeschoss einer alten Fabrik. In schicker-industrieller Umgebung kann man hier den ganzen Tag lang speisen, egal ob zum Brunchen oder zum Abendessen. Da hinter dem Laden eine Kombination aus Restaurant und Kaffeerösterei steckt, spielt auch hier Kaffee eine wichtige Rolle. Generell ist mein Eindruck, dass man in London versteht, wie anziehend das Zusammenspiel von Spezialitätenkaffee und köstlichem Essen ist. Feinschmecker werden sich im Caravan auf jeden Fall wohlfühlen.
Große Fenster werfen das Licht in den weiten Raum mit seinen grauen Betonwänden und Holzmöbel. Das Bankside Restaurant ist eine von insgesamt fünf Locations, die zu Caravan gehören – darunter auch die eigene Kaffeerösterei. Jeder Laden hat dabei aber ein individuelles Konzept und die drei neuseeländischen Gründer pflegen von einer „Familie“ zu sprechen, statt von einer „Kette“.
Neben Bankside gibt es einen Laden am Exmouth Market (es war der erste der Gründer), 2012 folgte das zweite Caravan am King‘s Cross und in Caravan City ist das neuste Restaurant zu finden. Ein fünfter Laden, in der Great Portland Street, ist aktuell außerdem im Aufbau.
Caravan Bankside
30 Great Guildford St
London SE1 0H
In einem Eckgebäude an der Kreuzung Queen Victoria Street und Cannon Street ist Rosslyn Zuhause. Das Café gehört zu den jüngsten Kindern der Londoner Kaffeeszene. Erst im Februar 2018 eröffnete es. Gründer sind James Hennebry und Mat Russell, beide haben zuvor viele Jahre in Australien und Großbritannien für verschiedene Röstereien gearbeitet haben. Kennengelernt haben sie sich übrigens während ihrer Arbeit im Team des vorherigen Tipps, der Caravan Rösterei.
In dem Raum ihres eigenen Cafés befand sich früher ein Geschäft für Anzüge. Heute sind diese im Rosslyn nur noch an den Gästen aus den umliegenden Büros zu sehen. Nach Monaten der Renovierung bestimmt eine große Theke mit Kaffeeequiment den Alltag des Ladens. An den Fenstern gibt es ein paar Sitzplätze, aber im Gesamtbild erinnert Rosslyn eher an das Konzept „Standing Room only“, das auch bei Patricia in Melbourne gelebt wird.
Fest im Ausschank sind hier Kaffees von den britischen Röstereien Round Hill Roastery, Colonna Coffee und Modern Standard Coffee. Ergänzt wird das dauerhafte Programm durch ein weitreichendes, wechselndes Gastprogramm, darunter skandinavische Röstereien wie La Cabra.
Rosslyn
78 Queen Victoria Street
London EC4N 4SJ
Die beiden letzten Tipps sind Teil des malerischen Hinterhofes Neal’s Yard. Er ist nur durch schmale Gassen erreichbar und geprägt von der alternativen Kultur, die hier in den 80er Jahren Einzug hielt. Zuvor boten die Lagehäuser des Hinterhofes Platz für das Blumenlager des Covent Garden Market, einem Großmarkt, der auch heute noch (in abgewandelter Form) einige Straßen weiter stattfindet.
Das 26 Grains ist das Mekka für alle Porridge-Fans in London. Gründerin ist Alex Hely-Hutchinson, die ein Jahr lang während des Studiums in Kopenhagen lebte. Inspiriert von dem dort zelebrierten Porridgegenuss kam sie zurück nach London und eröffnete 2015 das Café.
Die Zahl 26 steht dabei für die Anzahl an Körnern, mit denen Alex kocht. Neben Hafer gehören dazu auch Quinoa, Buchweizen und Amaranth. Daraus zaubern Alex und ihr Team täglich Gerichte wie Quinta Porridge mit Zimt und Banane, nordisches Birnenporridge mit Hafer in Kokosmilch, Kakao Krümeln, griechischen Joghurt und Rhabarber-Kardamom-Granola oder auch herzhaftes zum Beispiel in Form von schwarzen Quinoa mit Kurkuma Hummus Salat.
Mittlerweile hat die Londonerin im Übrigen auch ein gleichnamiges Buch mit ihren Rezepten veröffentlich. So kann man die vielseitigen Gerichte rund um die 26 Körner auch Zuhause nachkochen.
26 Grains
1 Neal’s Yard
London WC2H 9DP
Direkt gegenüber vom 26 Grains befindet sich der kleine Coffeeshop Jacob The Angel. Gewidmet ist er einem Mann namens Jacob, der den allerersten Coffeeshop in England eröffnet haben soll. Gerade mal zehn Personen passen hier in den Innenraum des Cafés. Ein paar weitere können an den zwei Tischen außen Platz nehmen. Jeden Morgen werden die Kuchen und Gebäcke in dem Laden frisch zubereitet und gebacken. Auch zum Mitnehmen wird Herzhafte wie Sandwiches angeboten. Für den Kaffee werden hier ebenfalls Röstungen von Square Mile genutzt.
Während einer Londonreise sollte man also wahrscheinlich zwei mal im Neal’s Yard vorbeischauen – einmal bei 26 Grains und das andere Mal bei Jacob the Angel…
Jacob the Angel
16A Neal’s Yard
London WC2H 9DP
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